Windenergie - der große Bluff

Von Prof. Dr.-Ing. Heinz Kottowski-Dümenil

Die Zukunft der Energieversorgung liegt auf dem Wasser, genauer: auf dem Meer. Diesen Eindruck vermittelt die Bundesregierung. Tatsächlich liegen derzeit 30 Anträge für "Offshore-Windparks" vor mit einem Investitionspotential von 50 Milliarden Euro. "Eine Entwicklung ohne Beispiel: Ausbau der Windenergie eilt von Rekord zu Rekord", vermelden die Medien. Anleger haben im vergangenen Jahr rund 406 Millionen Euro in Windenergiefonds angelegt. Grund dafür sind finanzielle Anreize. Das überarbeitete "Erneuerbare-Energie-Gesetz" garantiert die Abnahme des Windstroms zu festgelegten Preisen über einen Zeitraum von 20 Jahren. Die Stromnetzbetreiber sind verpflichtet, Windstrom bedarfsunabhängig abzunehmen und zu bezahlen. Die Mehrkosten hat der Verbraucher zu tragen. Es handelt sich um Subventionspolitik, die eigentlich mit den EU-Richtlinien kollidiert.

Für Windenergieanlagen auf hoher See sprechen höhere und gleichmäßigere Windgeschwindigkeiten. Näher zur Küste gibt es zudem Akzeptanzprobleme, zum einen wegen des geschützten Wattenmeeres, zum anderen wollen die Bewohner der Küste und Inseln keine Windräder am Horizont, zumal diese auch Touristen abschrecken. Mit zunehmendem Abstand von der Küste wachsen aber auch die Investitions- und Wartungskosten. Es kommen nur Maschinen einer Größenordnung von fünf Megawatt in Frage, soll Aussicht auf Rentabilität bestehen.

Windmühlen als Subventionsräder

Das Erneuerbare-Energie-Gesetz lockt Spekulanten. Offshore-Anlagen werden noch höher subventioniert als Windräder an Land. Sie erhalten den Spitzensatz von 9,10 Cent/kWh nicht, wie üblich, fünf Jahre, sondern neun Jahre lang. Erst danach erfolgt die geringere Vergütung von 6,19 Cent/kWh. Aber selbst diese Vorzugsbehandlung wird nicht ausreichen, Offshore-Anlagen rentabel zu machen. Nach Experten-Ansicht ist bei Offshore-Anlagen mit Stromgestehungskosten von etwa 11 Cent/kWh zu rechnen. Sie liegen damit weit über dem Garantiepreis.

Die massive Windanlagennutzung, sollte sie realisiert werden, gefährdet wegen der unstetigen Windströme auch die Netzstabilität, die heute noch von den Kernkraftwerken glattgebügelt wird. Kern- und Windkraft sind also "Schwestern im Netz", auch wenn der bisherige Umweltminister Jürgen Trittin erklärte, die Kernkraft behindere den Ausbau der Windkraft. Die Realität holt die Ideologen sehr schnell ein. Der heutige Kraftwerksmix enthält 30 Prozent Kernkraft, 24 Prozent Steinkohle, 28 Prozent Braunkohle, neun Prozent Erdgas, vier Prozent Wasser und nur einen Rest von fünf Prozent aus den Energiequellen Müll, Wind und Sonne.

Schon heute ist es freilich möglich, bei den Stromversorgern 100 Prozent Sonnen- oder Windenergiestrom zu ordern. Doch seltsamerweise können sich auch die Wähler der Grünen in nur ganz geringer Zahl entscheiden, für einen Sonnenenergie-Jahresverbrauch von 4000 kWh etwa 2400 Euro zu zahlen. Sie greifen lieber auf den von Energiefachleuten aufgebauten deutschen Kraftwerksmix zum Preis von etwa 650 Euro zurück. Irgendwie scheint man von der Notwendigkeit des guten Vorbilds nicht überzeugt zu sein.

Desungeachtet wartet die Windkraftindustrie mit immer neuen Erfolgszahlen auf. Da wird von 11 800 Windrädern mit einer Gesamtleistung von 9 200 Megawatt berichtet, mit denen in einem normalen Windjahr 3,5 Prozent des deutschen Stromverbrauchs gedeckt werden könnten. Bis zum Jahr 2030 sei sogar ein Anteil von 15 Prozent möglich. Das klingt verheißungsvoll, aber die Wirklichkeit sieht anders aus:

Gemäß Jahresbericht 2001 des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft stieg der Gesamtstromverbrauch in Deutschland um 11,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr (von 480 Mrd. kWh auf 534 Mrd. kWh). Der Anteil der Windkraft wuchs aber nur von 1,8 auf 2,15 Prozent. Das heißt, daß die Stromverbrauchszunahme in Deutschland zur Zeit etwa fünfmal schneller steigt als die gesamte Stromerzeugung aus der Windkraft. Ein offenbar verlorenes Rennen. Dazu muß man außerdem wissen, daß selbst beim Bau Hunderttausender von Windrädern genügend Kohle- und Kernkraftwerke erhalten bleiben müssen, weil sich elektrische Energiemengen nicht ausreichend speichern lassen.

Wo kein Wind, dort kein Strom

In welchem Ausmaß kann Windkraft in Deutschland überhaupt genutzt werden? Die Antwort ist deprimierend. Windkraftanlagen verhalten sich grundlegend anders als herkömmliche Kraftwerksanlagen. Sie sind von den Windverhältnissen abhängig, bieten also nur eine instabile Versorgung mit entsprechend großen Schwankungen. Das Bestreben der Windkraftbetreiber geht deshalb dahin, Windparks zu vernetzen und nur an Knotenpunkten den Strom ins allgemeine Netz einzuspeisen. An der instabilen Versorgung würde es grundsätzlich nichts ändern, zumal die Netze so groß sein müßten, daß sie sich nationaler Verfügbarkeit entziehen.

Die erwähnten 11 800 Windräder mit einer Anschlußleistung von 9 200 Megawatt erzeugten im letzten Jahr 11,5 Milliarden kWh. Damit war jede Anlage, bezogen auf ihre Durchschnittskapazität, 1250 Stunden im Jahr in Betrieb. Das sind gerade einmal 17,7 Prozent der 8760 Jahresstunden.

Zum Trost heißt es, die Windkraftbranche beschäftige in Deutschland 35 000 Mitarbeiter und erwirtschafte etwa 3,5 Milliarden Euro. Dabei bleibt unerwähnt, daß es sich um künstliche, sprich: subventionierte Erfolge handelt. Wirtschaftsminister Müller hat uns bereits im letzten Jahr aufgeklärt: "Für jeden Arbeitsplatz in der Windenergie gibt der Steuerzahler 350 000 DM (175 000 Euro) und für einen Arbeitsplatz im Bergbau 100 000 DM (50 000 Euro) aus." Sind schon die Kohlesubventionen seit vielen Jahren höchst umstritten, so handelt es sich bei der Sonnen- und Windenergie um eine Dauersubventionsfalle.

Chancen in Afrika und Asien

Andererseits soll nicht übersehen werden, daß sich unter staatlicher Protektion eine neue, innovative Industrie entwickelt hat, die uns auf diesem Gebiet einen führenden Platz in der Welt sichert. Das ist ebenso erfreulich, wie es unsinnig wäre, Windenergie als Primärenergieersatz für Deutschland auszuweisen. Die Entwicklungschancen der Windenergie liegen woanders: Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung (rund zwei Milliarden Menschen) hat keinen Stromanschluß. Diese 750 Millionen Haushalte befinden sich vor allem in den ländlichen Gebieten Afrikas und Asiens. Eine netzgebundene Versorgung ist dort sehr aufwendig und oft unmöglich. Hier eignen sich Windanlagen für eine dezentrale Versorgung, zumal es in vielen Fällen auch nicht auf eine kontinuierliche Stromeinspeisung ankommt. Allerdings wurde jetzt auf der UN-Umweltkonferenz in Johannesburg deutlich, daß die Politiker der Dritten Welt ehrgeizigerweise nicht geneigt sind, auf jene (herkömmlichen) Kraftwerke zu verzichten, ohne die es die Erste Welt nicht gäbe. Der Verweis auf Windmühlen wird in Afrika und Asien als versteckte Form des Neokolonialismus gedeutet.

In Deutschland jedenfalls muß Energie in ausreichender Menge rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Deshalb erfordert der Ausbau regenerativer Energiequellen wegen der unsteten Verfügbarkeit die parallele Bereitstellung sogenannter Regelenergie, zum Beispiel Gasturbinen und Wasserkraftwerke, die sehr schnell auf Vollast gefahren werden können, um Unterschiede zwischen der Netzeinspeisung und der Stromentnahme auszugleichen. Da aber Wasserkraftwerke nicht beliebig ausgebaut werden können, werden zusätzlich gasbefeuerte Turbinenanlagen benötigt. Das bedeutet: Um "alternative" Energie anbieten zu können, muß "klimagas"-erzeugende Regelenergie aufgewandt werden.

Wie weit kann die Entwicklung von Windkraftanlagen gehen? Auch hier gibt es technische Grenzen, über die ungern gesprochen wird. 120 Meter Nabenhöhe, ein Rotordurchmesser von 100 Metern und Spitzenleistungen von bis zu fünf Megawatt, so lauten die Kennzahlen der größten derzeit in Planung befindlichen Windräder, die vor allem auf hoher See zum Einsatz kommen sollen. Die Physik setzt Grenzen. Nach Ansicht von Experten dürfte bei etwa sechs Megawatt konstruktionstechnisch Schluß sein. Bereits jetzt erreichen die Spitzen der Windmühlenflügel Geschwindigkeiten von weit über 200 km/h. Nähmen Rotorradius und Drehzahl noch weiter zu, käme man in den kritischen Geschwindigkeitsbereich. Selbst moderne und hochbelastbare Verbundwerkstoffe aus Kohlenstoffasern könnten den dabei entstehenden Druck-, Zugkräften und Drehmomenten nicht dauerhaft standhalten.

Darüber hinaus wächst mit dem Leistungspotential auch das Gewicht der auf den Masten plazierten Generatoren. Schon die heutigen 1,5-Megawatt-Generatoren wiegen rund 100 Tonnen. Für die "Multimegawattklasse" wird ein Gondelgewicht von 400 Tonnen erwartet. Eine solche Masse bereitet nicht nur Probleme bei der Montage, sondern auch bei der dauerhaften und sturmsicheren Verankerung der Masten auf dem Meeresgrund in 20 bis 30 m Wassertiefe. Hier müssen Sicherheitsstandards eingehalten werden, damit die Anlagen nicht beim ersten ernsthaften Sturm knicken.

Schließlich sollen die Windkraftanlagen mindestens 25 Jahre lang Strom erzeugen. Dabei müssen sie auch Sturmwellen von der Höhe achtstöckiger Häuser standhalten. Die Kosten dafür hat bisher noch niemand durchgerechnet. Die am Markt genannten Investitionszahlen von einer bis 1,5 Millionen Euro pro Anlagenfundament werden stark angezweifelt. Hinzu kommen noch die Kosten für die Seekabel bis zum Netzanschluß.

Hoher Aufwand, geringes Ergebnis

Um die Kosten/Nutzen-Relation von Kraftwerken objektiv zu beurteilen, werden sogenannte "energetische Kennzahlen" aus der Energiebilanz herangezogen. Die wichtigsten sind die energetische Amortisationszeit, der Erntefaktor und der Wirkungsgrad. Die energetische Amortisationszeit ist die Zeit, die das Kraftwerk betrieben werden muß, bis es die für seine Herstellung benötigte Energie erzeugt hat. Erst nach dieser Zeit wird die Energiebilanz des Kraftwerks positiv.

Untersucht man, um wieviel mehr Strom ein Kraftwerk während seiner gesamten Lebensdauer erzeugt, als Energie für den Bau eingesetzt werden muß, so erhält man den "energetischen Erntefaktor". Der Wirkungsgrad ist, sehr allgemein gefaßt, das Verhältnis zwischen der vom Kraftwerk gelieferten Energie und dem Energieinhalt des eingesetzten Brennstoffs.

Neben dem Energieaufwand für Bau, Betrieb und Abriß beeinflussen vor allem bei den alternativen Energieformen noch die Jahresnutzung und die Lebensdauer die aufgeführten Kennzahlen. So liegt die energetische Amortisationszeit, bezogen auf den Aufwand an Primärenergie für den Bau bis zur Inbetriebnahme, für Steinkohlenkraftwerke bei etwa 0,13 Jahren, für Kernkraftwerke bei 0,08 Jahren und für Windkraftwerke bei 0,5 Jahren Leistungsbetrieb.

Noch entscheidender für den wirtschaftlichen Erfolg ist die Jahresnutzung der Anlage. Die beschränkte Verfügbarkeit der Windenergie von im Mittel 1800 h/a gegenüber 6000 h/a bei Kohle- und 7000 h/a bei Kernkraftwerken lassen erkennen, daß die Windenergie zum Primärenergieträger nicht taugt. Die Wirkungsgrade unterscheiden sich unwesentlich. Sie liegen für die drei diskutierten Kraftwerkstypen zwischen 35 und 45 Prozent.

Nochmals: Die hier angeführten Einwände dürfen nicht zu einer generellen Ablehnung von Windkraftanlagen führen. Die Windenergie hat ihre Berechtigung für den Einsatz in abgelegenen Gebieten geringer Bevölkerungs- und Industriedichte. Sie ist jedoch nicht als Primärenergieträger in unseren Breiten geeignet.

Nahezu 12 000 Windräder haben Deutschlands Landschaftsbild in den vergangenen zehn Jahren nachhaltig entstellt, ohne daß dadurch auch nur ein einziges konventionelles Kraftwerk überflüssig geworden ist. Gekostet hat es den Steuerzahler und Stromverbraucher eine Menge Geld. Wirtschaftsminister Müller nannte Ende vergangenen Jahres die schwindelerregende Summe von 250 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020. Schon heute finanzieren die Stromkunden allein die Windenergie mit rund 1,1 Milliarden Euro jährlich. Für diesen Betrag ließen sich 130 000 nichtsubventionierte - also echte - Arbeitsplätze schaffen.

Als die Grünen vor einigen Jahren einen Benzinpreis von fünf Mark pro Liter propagierten, war die Empörung groß. Gegen die Fehlinvestitionen bei der Windenergie handelte es sich um einen Klacks. Viele Bürger merken es nur nicht, weil sie Steuern, Abgaben und Stromgebühren zahlen, ohne groß über deren Verwendung nachzudenken. Würde man sich die hier nur angedeutete Bilanz etwas näher anschauen, käme man rasch zu der Erkenntnis, daß es in Deutschland viel Wind gibt - in der Politik, nicht aber zur Aufrechterhaltung unserer Stromversorgung.

Quelle: http://www.nationeuropa.de/heft/beitrag.php3?beitrag=1520

© NATION & EUROPA · Deutsche Monatshefte, Heft 10/2002
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